Haushaltsrede 2019: „Zusammenhalt stärken!“

8. Dezember 2018 | Kreistagsfraktion

Rede von Gerhard Zorn, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion im Rheinisch-Bergischen Kreis zum Haushalt 2019. Es gilt das gesprochene Wort.

„Zusammenhalt stärken!“

Sehr geehrter Herr Landrat,
sehr geehrte Damen und Herren,

wer braucht den Kreis? Manche sagen: Keiner! Ich bin überzeugt, die Bündelung der Aufgaben ist und bleibt qualitativ besser und insgesamt kostengünstiger.

Der Haushalt des Kreises 2019 enthält einen Gesamtaufwand von 345,7 Mio. €. Dieser wird zu 41 % – 142,7 Mio. € – durch die Kreisumlage finanziert. Der Rest finanziert sich aus Zuweisungen des Landes, des Bundes, der Jugendamtsumlage und durch sonstige Einnahmen.

Der nach Abzug der Landschaftsumlage verbleibende Aufwand des Kreises selbst – quasi der echte Kreishaushalt – liegt bei 282,1 Mio. € Aufwand. Geld, das insbesondere in den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft, in Bildung und Mobilität investiert wird.

138,6 Mio. € – also 49 % der beim Kreis verbleibenden Mittel – gibt der Kreis einschließlich der auf die jeweiligen Aufgaben entfallenden Personalkosten für

  • soziale Leistungen aus. Insbesondere
  • für pflegebedürftige Menschen,
  • für behinderte Menschen – ergänzend zu Leistungen des LVR,
  • für existenzsichernde Sozialhilfe einschließlich der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und
  • für die Grundsicherung für Arbeitssuchende.

Kein Euro würde entfallen, wenn die Kommunen selbst die Aufgaben wahrnehmen würden. Im Gegenteil: Bei den auf die Kommunen delegierten Aufgaben nach dem SGB XII werden aktuell die Standards und Prozesse vereinheitlicht. Einzelne Aufgaben werden zum Kreis zurückgeholt. Manchmal lohnt es sich eben, delegierte Aufgaben wieder zu zentralisieren. Das erwartete Einsparvolumen beträgt 2019 rund 1,1 Mio. €.[1] Im Sinne der Kämmerer und Bürgermeister überprüft und optimiert der Kreis hier seine Ausgaben.

Eine der zentralen Herausforderungen für den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft ist die angemessene Versorgung pflegebedürftiger Menschen. Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen steigt bis 2040 um 50 % gegenüber 2015 – von ca. 10.500 auf dann 15.500 Menschen.[2] Sind wir wirklich darauf vorbereitet? Wenn wir hier nicht scheitern wollen, brauchen wir genug qualifizierte Pflegekräfte und ausreichend Pflegeplätze.

Dem Fachkräftemangel in der Pflege begegnet der Kreis durch innovative Öffentlichkeitsarbeit. Aber die aktuelle Planung für Pflegeplätze ist nicht zukunftsgerecht. Nach den Kennzahlen des Kreises im Haushalt[3] sinkt die Zahl der stationären Pflegeplätze pro 1000 pflegebedürftiger Menschen bis 2022 um 10 Prozent verglichen mit 2017. Gleichzeitig sinkt auch die Zahl der Kurzzeit- und Tagespflegeplätze. Nur die Zahl der Plätze in ambulant betreuten Wohngemeinschaften bleibt konstant. Wir machen gute Erfahrungen mit modernen Wohngemeinschaften z.B. für an Demenz erkranke Menschen. Daher wird auch hier der Bedarf steigen.

Aus Sicht der SPD müssen wir hier aktiv nachsteuern, um auch in Zukunft für pflegebedürftige Menschen Heimat zu bleiben. Dies ist nicht nur wichtig für die, die gepflegt werden müssen. Dies ist in besonderer Weise auch wichtig für die, die ihnen nahestehen und zu Hause pflegen.

Die SPD schlägt deswegen vor, im nächsten Sozialausschuss zusammen mit den Anbietern weitergehende Strategien und zukunftsgerechte Ziele zu entwickeln. Wir haben heute einen entsprechenden Antrag eingebracht.

Meine Damen und Herren,
Kinder sind uns wichtig! 10,4 Mio. € – 3,7 % der verbleibenden Mittel – gibt der Kreis für seine Schulen, die dort unterrichteten Schülerinnen und Schüler, Schulsozialarbeit, den schulpsychologischen Dienst an allen Schulen und übergreifende Maßnahmen der Bildung aus. Nur über die Grenzen der einzelnen Gemeinde oder Stadt hinweg – eben beim Kreis – ist die Geschäftsstelle Bildungsnetzwerk oder das Koordinierungsbüro Übergang Schule-Beruf denkbar.

Die SPD will, dass alle Kinder umfassende Bildungschancen bekommen. Auch dies ist unverzichtbar für den sozialen Zusammenhalt. Die Unterstützung für Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf ist hierfür genauso wichtig wie die Potentialanalyse im Vorfeld der Berufswahl. Wir müssen Kinder stark machen, damit sie ihr ganzes Potential ausschöpfen und damit ihre Zukunftschancen verbessern können.

Der schulpsychologische Dienst dient der Krisenintervention. Er erhält Bildungschancen. Er muss bei Mobbing, bei Krisen oder möglichem Schulabbruch schnell erreicht werden. 2017 wurden die angestrebten Wartezeiten für Schülerinnen und Schüler sowie für Eltern erneut nicht erreicht. Zu lange Wartezeiten können eine Schulzeit beenden. Ich fordere die Verwaltung auf, hier personell nachzusteuern.

Alleinerziehende und Paare mit Kindern, also Familien sind uns wichtig!

31,1 Mio. € – 11 % der beim Kreis verbleibenden Mittel – werden für die Kinder-, Jugend- und Familienhilfe aufgewandt. Das Jugendamt des Kreises muss Ideengeber, muss Vorbild für andere Jugendämter im Kreis sein.

Es ist für den sozialen Zusammenhalt und die Zukunftsfähigkeit der Kommunen von besonderer Bedeutung, ob sie für Familien attraktiv sind. Eltern fühlen sich wohl, wenn ihre Kinder sicher und gut versorgt sind. Heute bedeutet das für fast alle Familien, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Väter und Mütter sichergestellt ist. Noch entscheidender ist dies für Alleinerziehende und getrenntlebende Paare, die sich die Erziehung der Kinder teilen.

Die Flexibilität, die heute im Beruf abgefordert wird, müssen wir von jeder Kita verlangen. Die Öffnungszeiten müssen sich am Bedarf der Familien ausrichten, nicht umgekehrt. Drehen wir die Wirklichkeit von heute um: Nicht Väter und Mütter müssen sich rechtfertigen, wenn sie längere Betreuungszeiten brauchen, sondern die Einrichtung, die diese nicht anbietet.

Die SPD fordert für das Kreisjugendamt das strategische Ziel, bedarfsgerechte und flexible Betreuungszeiten in den Kitas zu schaffen. Dieses strategische Ziel ist am Bedarf der Eltern und Kinder auszurichten, nicht am Angebot der Träger der Kita.

Der Ihnen vorliegende Antrag benennt dieses strategische Ziel. Bewusst haben wir die Diskussion über die operativen Ziele, also der konkreten Umsetzungsschritte, in dem Antrag offengelassen. Bei der Festlegung der operativen Ziele muss die Position der Träger bekannt sein. Dies gilt aber nicht für das strategische Ziel!

Der Beschluss des strategischen Ziels heute wäre ein Zeichen an die Träger, dass wir die Ausweitung der Betreuungszeiten wollen. Der Beschluss heute wäre ein Zeichen an die Träger, dass nur die konkrete Umsetzung zu diskutieren ist, nicht die erforderliche Ausweitung der Öffnungszeiten selbst. Der Beschluss des strategischen Ziels wäre damit ein Signal an die Familien: Es wird etwas passieren!

Deshalb appelliere ich an dieser Stelle nachdrücklich an die Mehrheitsfraktionen, sich einen Ruck zu geben und das strategische Ziel heute mit der SPD als Signal an Träger und Familien zu beschließen und die operative Umsetzung im Fachausschuss mit den Trägern zu diskutieren!

Meine Damen und Herren,
21,7 Mio. € – also 7,7 % der verbleibenden Mittel – gibt der Kreis für Infrastruktur, regionale Projekte, Kreisstraßen, Radwege und den ÖPNV aus.

Der Kreistag hat mit breiter Mehrheit den Ausbau des ÖPNV beschlossen. Wir haben gemeinsam eine deutliche Taktverdichtung beschlossen. Auf Initiative der SPD wird ergänzend hierzu das ÖPNV-Angebot am Wochenende ausgebaut. Gleichzeitig wird der Nachtbus um eine Stunde verlängert. Und heute haben wir auf Antrag der SPD Klimaanlagen für alle neuen Busse beschlossen. Dies ist wichtig für die Busfahrerinnen und Busfahrer und die Nutzerinnen und Nutzer. Diese Maßnahmen zusammen bewirken 2019 einen Mehraufwand von ca. 306.000 €. Aber all dies macht den ÖPNV deutlich attraktiver!

In der Freizeit und auf dem Weg zur Arbeit nimmt der Radverkehr zu. Ein Grund ist der steigende Anteil an E-Bikes. Diese bergen aber auch Gefahren – auch, weil Autofahrer deren Geschwindigkeit unterschätzen.

Die SPD beantragt daher, zusammen mit der Kreispolizei und den Kommunen Gefahrenstellen zu ermitteln und zu beseitigen. Hierfür wollen wir 30.000 € zusätzlich im Haushalt bereitstellen.

Darüber hinaus will die SPD einen weiteren Radschnellweg von Burscheid über Leichlingen bis zum Bahnhof Opladen. Dieser kann als weiteres Projekt der Regionale Bergisches Rheinland angemeldet und finanziert werden.

Meine Damen und Herren,
zum Stichwort sozialer Zusammenhalt eine Erfolgsbilanz. Bezahlbarer Wohnraum wird überall dringend gebraucht. Auf Antrag der SPD hat der Kreistag 2015 beschlossen, über die Rheinisch-Bergische Siedlungsgesellschaft (RBS) mittelfristig 200 neue bezahlbare Wohnungen zu bauen.

Aktuell bereits in Bau sind 59, in konkreter Planung weitere 265 – in Rösrath, Kürten, Wermelskirchen und Bergisch Gladbach. Auch wenn ein Teil der Wohnungen Ersatz für ältere Wohnungen sind[4] werden mindestens 209 dringend benötigte preiswerte und – ich betone dies – ausnahmslos barrierefreie Wohnungen nach der SPD-Initiative neu geschaffen.

Der Antrag, für fünf Jahre auf eine Ausschüttung durch die RBS zu verzichten, ist insofern interessant. Aber ein solcher Schritt muss mit den übrigen Eigentümern abgestimmt sein.

Und der RBS mangelt es nicht an Geld, sondern an Grundstücken. Sie könnte noch erfolgreicher sein, wenn mehr Grundstücke zur Verfügung gestellt würden. Ich fordere alle Kommunen im Kreis, auch Bergisch Gladbach, auf, hier aktiver zu sein.

Meine Damen und Herren,
die SPD-Kreistagsfraktion war und ist dafür, jede Senkung der LVR-Umlagesätze 1:1 an die Kommunen weiterzugeben. Sobald die LVR-Umlage 2020 definitiv feststeht, werden wir dies beantragen.

Der von CDU und Grünen vorgeschlagene weiteren Einmalzahlung stimmen wir zu. Gleiches gilt für den Haushalt insgesamt.

Mein besonderer Dank für die Unterstützung, Information und Beratung zum Haushalt und zum strategischem Aufgabenmanagement (SAM) gilt Herrn Eckl und Frau Thieme. SAM wird für die Verwaltung Strukturen und Abläufe verändern. Und er wird – dies begrüße ich – den Personalausschuss stärken.

Die Diskussion zu SAM hat aber auch gezeigt, dass viele Mitarbeitende des Kreises unter schwierigen Bedingungen arbeiten. Fallzahlsteigerungen und steigende inhaltliche Anforderungen stoßen aktuell nicht selten auf offene Stellen oder im Einzelfall hohe Krankheitszeiten. SAM allein löst das Problem des Fachkräftemangels im öffentlichen Dienst nicht.

Gerade in dieser Situation spreche ich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Kreises die Anerkennung und vor allem den ausdrücklichen Dank der SPD-Fraktion aus.

Herzlichen Dank!

Die komplette Haushaltsrede als Download finden Sie HIER.

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