Die letzten Wochen haben gezeigt, dass es im Krisenstab des Kreises und in der Spitze der Kreisverwaltung erhebliche Differenzen zum richtigen Umgang mit den Gefahren gab und gibt, die sich aus der Corona Pandemie ergeben. Die Tatsache, dass Kreisdirektor Dr. Werdel, die Pressesprecherin des Krisenstabes, Frau Bär, und andere im Krisenstab aktive den Landrat darum gebeten haben, aus dem Krisenstab auszuscheiden, ist Beleg für diese Meinungsverschiedenheiten und Differenzen über die Abstimmung zwischen Landrat und Krisenstab.

Es ist anzuerkennen, dass alle Beteiligten des Krisenstabes über mittlerweile mehr als ein Jahr mit großem persönlichem Einsatz und vielen, vielen Stunden an Arbeit auch abends und am Wochenende in dieser Krise persönlich investiert haben. Viele aus dem Krisenstab sind dafür bekannt, sich immer intensiv für größtmögliche Vorsicht zum Schutz der im Kreis lebenden Menschen eingesetzt zu haben. Sie wissen, dass die begrenzte Anzahl an Intensivbetten, die begrenzte Belastbarkeit des ärztlichen und pflegerischen Personals in den Krankenhäusern uns alle dazu zwingt, mit Vorsicht durch diese Pandemie zu gehen. Der Notruf der Gladbacher Krankenhäuser zeigt dies!

Der vorübergehende Verzicht auf Freiheiten bedeutet aktuell den Schutz von Leben.

Gerade die, die jeden Tag mit der Krise und der Pandemie zu tun haben, wissen, dass die zwischenzeitlich aufgetretenen Mutationen noch einmal in besonderer Weise zu betrachten sind. Die Ansteckungsgefahr ist deutlich höher. Die Gefahren für Kinder und Jugendliche ist in höherem Maße gegeben. Und insgesamt sind durch die Mutationen jetzt viele jüngere Menschen betroffen, nachdem zum Glück viele der älteren Menschen geimpft worden sind.

Auf der anderen Seite besteht der verständliche Wunsch der Menschen, sich wieder freier bewegen, einkaufen und sich mit anderen treffen zu können. Dies ist nachvollziehbar. Vor allem aber ist nachvollziehbar, dass der Einzelhandel dringend darauf wartet, wieder öffnen, die bestellte Ware wieder verkaufen zu können. Auch der Ruf der Kulturschaffenden besteht zu Recht, dass sie wieder eine Perspektive haben wollen. Und natürlich gilt dies auch für die Restaurants.

Insofern war richtig, dass die Bürgermeister und der Landrat bei einer Inzidenz von 80 miteinander verabredet haben, einen möglichen Spielraum des Landes offensiv zu nutzen, wenn die Inzidenz auf Kreisebene sich bei knapp über 100 einpendelt. Diese Verabredung zu diesem Zeitpunkt ist nicht zu kritisieren!

Als Landrat Santelmann dann die Allgemeinverfügung erlassen hat, um die Notbremse des Landes NRW außer Kraft zu setzen, stand der Kreis aber bereits kurz vor der Inzidenz von 200.

Die Notbremse des Landes zu diesem Zeitpunkt durch den Landrat außer Kraft zu setzen war unverantwortlich. Der Landrat hat sehenden Auges eine Maßnahme ergriffen, die zu diesem Zeitpunkt nicht mehr hätte in Kraft gesetzt werden dürfen. Dabei ist klar: Wenn das Virus schnell ist, muss der Kreis genauso schnell sein, seine Entscheidungen zu überdenken und neue Entscheidungen zu treffen. Das ist nicht geschehen.

Die Entscheidung zeigt, dass der Landrat zu diesem Zeitpunkt nicht gesehen oder nicht verstanden hat, dass die Entwicklung der Zahlen im Kreis eine solche Lockerung der Regelungen nicht mehr gestattet. Dass die Allgemeinverfügung des Kreises nach 3 Tagen bereits aufgehoben werden musste, weil der Inzidenzwert die Marke von 200 überschritten hat, macht dies in besonderer Weise deutlich. Zu diesem Zeitpunkt hätte eine sachgerechte Interessenvertretung durch den Landrat bedeuten müssen, dass die geplante Allgemeinverfügung nicht mehr veröffentlicht und damit nicht mehr hätte in Kraft gesetzt werden dürften.

In der Krise zeigt sich Handlungsstärke oder Handlungsschwäche. Stark ist dabei aber nur der, der zum richtigen Zeitpunkt das Richtige tut. Dazu gehört auch, etwas zuvor Zugesagtes zu lassen, wenn die Umstände dies erfordern. Diese Kraft hat dem Landrat offenkundig gefehlt.

Der Kreis beabsichtigt jetzt – mitten in der 3. Welle der Pandemie – die Organisationsstruktur des Krisenstabsmanagements neu zu organisieren und das Krisenstabsmanagement stärker in die regulären Verwaltungsstrukturen zu integrieren. Das ist falsch! Es bedeutet, den Operationssaal umzubauen und das Ärzte- und Pflegeteam auszuwechseln, während jemand am offenen Herzen operiert wird.

Es braucht eine Leitung des Krisenstabs, die schnell reagieren und entscheiden kann, bereit ist, auch vermeintlich unpopuläre Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind und die notwendigen Schritte zur Bekämpfung der Pandemie im engen Schulterschluss und Abstimmung mit den Kommunen umsetzt.

Es braucht davon unabhängig eine Verwaltung, die z.B. Schülerinnen und Schülern Unterstützung anbietet oder zusammen mit der RBW Unternehmen unterstützt und das Kerngeschäft umsetzt – also Perspektiven schafft.

Die Krise sitzt tief – in der Spitze der Kreisverwaltung!

Gerhard Zorn, Vorsitzender SPD-Kreistagsfraktion
Marcel Kreutz, Vorsitzender SPD-Kreisverband

Gerhard Zorn

Marcel Kreutz